X - P E R T bedarf: „Wenn bei minimalen Auffällig- keiten sofort ein roter Alarm ausgelöst wird, nervt das die Befunder eher, als dass es hilft.“ Zudem stelle sich eine neue juristische Unsicherheit ein: „Was muss dokumentiert werden? Welche Entschei- dung ist nachvollziehbar, wenn Mensch und KI unterschiedlicher Meinung sind? Diese Fragen sind noch ungeklärt.“ Im Rahmen seiner Ausführungen wies Schreyer noch auf einen weiteren Aspekt beim Einsatz von KI hin – und zwar ihre behutsame Einführung im Team. „Man darf nicht davon ausgehen, dass alle die gleiche Begeisterung für intelligente Systeme teilen“, betonte er. Umso wichtiger sei es, Kolleginnen und Kollegen dort abzuholen, wo sie stehen, und ihre Sorgen und Vorbehalte ernst zu nehmen. Nur so könne KI ihr volles Potenzial entfalten – andernfalls blie- ben wertvolle Ressourcen ungenutzt. Priv.-Doz. Dr. Peter Brader vom Dia- gnostikum Linz brachte die österreichi- sche Perspektive ein und gab Einblick in die Praxis eines der größten MRT- und CT-Institute des Landes. „KI ist für uns kein Experiment, sondern gelebte Reali- tät.“ Brader betonte, dass KI nicht nur in der Bildanalyse eine Rolle spiele, son- dern entlang der gesamten Wertschöp- r e t s b o o J : © d l i B fungskette: „Von der Untersuchungs- vorbereitung über die Nachbearbeitung und Vermessung bis zur Befunderstel- lung – überall kann KI unterstützen.“ Um die Entwicklung aktiv mitzuge- stalten, gründete das Diagnostikum gemeinsam mit der TU Graz das Start-up RADIAS – Radiology AI Diagnostic Assis- tance System. „Unser Ziel war es, eine Lösung zu schaffen, die uns Radiologen unterstützt, statt uns vorzuschreiben, wie wir zu befunden haben. Deshalb ist RADIAS als Assistenzsystem gedacht, das die Läsionserkennung prüft, nach- dem der Radiologe selbst den ersten Befund erstellt hat. Ich bin überzeugt: Erst der Mensch, dann die Maschine – so bleibt die Verantwortung klar.“ Am Standort Linz liegt ein besonde- rer Fokus auf der Brustkrebsdiagnostik. „Wir haben verschiedene Systeme getes- tet, waren aber nicht immer überzeugt. Deshalb entwickeln wir selbst weiter – unter anderem mit dem PIRAT-Score, der maschinelles Lernen mit klinischen Kri- terien verbindet. Das Ergebnis ist ein transparenter, nachvollziehbarer Pro- zess, der Vertrauen schafft.“ In der Notfalldiagnostik spielt die psycho- logische Entlastung eine wichtige Rolle Markus Wagner, Facharzt für Radiologie und Netzwerk- Koordinator bei reif & möller Netzwerk für Teleradiologie, hob vor allem die Rolle der KI in der Akutversorgung hervor: „Bei Schlaganfall, Hirnblutung oder Lungenembolie hilft uns KI enorm. Sie priorisiert die Fälle, markiert potenziell kri- tische Befunde und beschleu- nigt die Entscheidungswege. Das spart Minuten – und die sind in solchen Fällen oft entscheidend.“ Neben der Zeitersparnis nannte Wagner einen weiteren, oft unterschätzten Fak- tor: die psychologische Entlastung. „Wer Nachtdienste macht, kennt die Sorge, etwas übersehen zu haben. Wenn die KI mit draufschaut, schläft man ruhiger.“ Erfahrungen aus der Klinik – zwischen Routine und Qualitätsgewinn Prof. Dr. Martin Heuschmid von der Oberschwabenklinik gGmbH, St. Elisa- bethen- und Westtallgäu-Klinikum, nutzt KI seit mehreren Jahren in der Routine. „Unsere Motivation war, das Dienst- wesen zu entlasten, insbesondere in der Kooperation mit Schwesterkliniken. KI unterstützt uns bei der Knochen- und Thoraxbefundung und zunehmend auch in der Mammographie.“ Gerade letztere habe sich als Para- debeispiel erwiesen: „Wir arbeiten mit einem System von der Firma Gleamer und haben hervorragende Erfahrungen gemacht. Die KI liefert eine objektive Zweitmeinung, die wir Patientinnen teils direkt zeigen. Das schafft Vertrauen – Transparenz wirkt hier enorm positiv.“ Prof. Heuschmid betonte, dass der kommunikative Effekt der KI, häufig unterschätzt werde: „Wenn wir erklären, dass eine zweite, unabhängige Instanz das Bild gesehen hat, stärkt das das Vertrauen in unsere Arbeit.“ Allerdings bleibt auch er realistisch: „Natürlich gibt es falsch-positive Hinweise, die zu zusätzlichen Arbeitsschritten führen. Aber das ist kein Nachteil, sondern Qua- litätskontrolle. Wir verstehen KI nicht als Konkurrenz, sondern als Werkzeug, das uns sicherer macht.“ Ökonomische Realität: Qualität vor Vergütung Dr. Torsten Möller, Radiologe und Geschäftsführer von reif & möller – Netzwerk für Teleradiologie, lenkte die Diskussion auf den ökonomischen Rah- men: „Wir gehen in Vorleistung. Kein Krankenhaus zahlt mehr, nur weil KI Priv. Doz. Dr. med. Peter Brader, Facharzt für Radiologie, Leiter des Diagnostikum Linz 48 RadMag · 4-2025